Ein wegweisendes Forschungsprojekt
Autarkes Wohnen auf dem Bergheider See
Völlig autarkes Wohnen klingt nach Zukunftsmusik, nimmt aber am Bergheider See im Elbe-Elster-Land inmitten der Lausitzer Bergbaufolgelandschaft schon jetzt immer stärkere Formen an. Vor der Kulisse der ehemaligen Abraumförderbrücke F60 schwimmt seit März 2019 ein autarkes Haus im Hafen des Sees, das für die nächsten Jahre als Forschungs- und Technologiedemonstrator dient.
Gefördert wurde das Projekt autartec® vom Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) im Rahmen des »Innovative regionale Wachstumskerne«-Programms. Federführend bei dem Forschungsvorhaben war das Fraunhofer Institut für Verkehr- und Infrastruktursysteme IVI Dresden. Nach 5-jähriger Forschungsarbeit ist ein Entwurf entstanden, der energieautarkes, komfortables Wohnen mit moderner Architektur verbindet.
Ausgeklügeltes Konzept
Inzwischen präsentiert sich im Hafenbecken des Tagebausees ein auf einem 175 Quadratmeter großen Ponton ruhendes Haus, das mit insgesamt 15 Projektpartnern aus Südbrandenburg und Ostsachsen entworfen, entwickelt und umgesetzt wurde. Im Rahmen der diesjährigen kommunalen Beiratssitzung bekam SpreeGas einen exklusiven Einblick in den aktuellen Stand der Forschungsarbeiten.
In dem skulpturalen Erscheinungsbild des Gebäudes, das durch drei sich durchdringende Kuben geformt wird, werden die drei verschiedenen Autarkie-Bereiche Wärmegewinnung, Wasser/Abwasser und Stromerzeugung/ bzw. -speicherung widergespiegelt. „Die jeweiligen autarken Bereiche sollen das Haus förmlich durchdringen. Die topologischen Flächen des Gebäudekubus‘ sind jeweils optimal für den spezifischen Energieertrag ausgerichtet“, erklärt der technische Designer Ernst-Eckart Schulze. Auf dem „Thermocube“ wird mittels Solarthermie auf der geneigten Dachfläche Wärme für Heizung und Warmwasser gewonnen.
Eine großflächige Fassadenbegrünung sowie eine adiabate Kühldecke im Innern des Gebäudes sorgen dafür, dass es in den Wohnräumen auch bei hohen Temperaturen angenehm kühl bleibt. Der „Powercube“ dient der Stromerzeugung. Hierzu wurden auf 55 Quadratmetern photovoltaische Anlagen an der Fassade verbaut. Der „Aquacube“ mit seinen Terrassen auf zwei Ebenen stellt die direkte Verbindung zum Wasser her.
Im Inneren werden Strom und Wärme gespeichert und genutztes Wasser gereinigt, gesteuert wird das Ganze durch intelligente Gebäudeautomation. Bei allen Überlegungen beschäftigt die Forscher vor allem die Frage, wie man mit begrenzten Ressourcen einen 4-Personen-Haushalt betreiben kann, der alle Facetten von Strom- und Wärmespeicherung bis hin zur Wasseraufbereitung miteinander vernetzt.
Neu Technologien in der Autarkie-Forschung
Ziel ist neben der Erforschung bauphysikalischer Synergien die Weiterentwicklung vorhandener Technologien sowie deren platzsparende Integration in die Struktur der Gebäudehülle. „Um die Technik für die Energiespeicherung, die Wasseraufbereitung und die Steuerung des Systems unterzubringen, wurden Wandsysteme und Treppen so entworfen, dass sie über genügend Platz im Inneren verfügen“, so Ernst-Eckart Schulze. Neuentwickelte Wandelemente aus Carbonbeton dienen zur Unterbringung der Lithium-Ionen-Akkus zur Speicherung der elektrischen Energie. Insgesamt kann das schwimmende Haus bis zu 50 Kilowattstunden Strom speichern.
Um Wärme zur zeitversetzten Nachnutzung speichern zu können, verfügt das Untergeschoss über einen wasserführenden Kamin, der mit einem Salzhydratspeicher verbunden ist. Der Salzhydratspeicher funktioniert ähnlich wie ein Taschenwärmer und kann überschüssige Wärme in dem Phasenwechselmaterial (PCM) aufnehmen und auch wieder abgeben. Auf diese Weise kann jedoch nur über kurze Zeit Wärme gespeichert werden. Der nächste Schritt - und aktueller Forschungsgegenstand - ist die Langzeitspeicherung auf Basis von Zeolith. Ziel ist es, so der Experte, die im Sommer erzeugte Wärme zeitlich entkoppelt auch im Winter noch nutzen zu können.
Fortlaufende Forschung am Objekt
Auch die autonome Wasserversorgung ist ein Feld mit einer Vielzahl offener Fragen, die am autartec®-Projekt in Lichterfeld aktuell erforscht und weiterentwickelt werden. Innerhalb des Projekts wurden verschiedene keramische Materialien untersucht, sodass elektrochemische und fotokatalytische Prozesse parallel zur Filtration stattfinden können. Zwar ist die Technik bereits funktionsfähig, befindet sich aber derzeit noch in der Optimierungsphase. Auch das Smart-Home-System soll noch verbessert werden, damit es in Zukunft intelligente Handlungsempfehlungen ausgeben kann. In den kommenden Jahren soll weiter am autartec®-Haus geforscht werden. Viel konnte bis hierher aber schon erreicht werden. Das schwimmende Haus bietet viele Potenziale und fungiert als Kristallisationskeim für aktuelle Fragestellungen unserer Zeit.